Die Schweiz ist bekannt für hohe Qualität, gute Ausbildung und einwandfreies Handwerk. Die Marke «Swiss Made» zeigt Wirkung. Schweizer gelten als fleissige Vielarbeiter. Die Arbeitskultur ist auch geprägt von der egalitären Haltung des Landes. Hierarchien spielen eine weniger starke Rolle als in Nachbarländern wie Deutschland und die vielen internationalen Unternehmen, die hier ansässig sind, beeinflussen die Arbeitskultur des ganzen Landes.
Schaut man nur schon 50 Jahre in die Vergangenheit zeichnet sich aber ein anderes Bild ab. Hierzulande erhielten Frauen das Stimmrecht erst im Jahre 1971. Alle Länder in Europa ausser Liechtenstein hatten dies bedeutend früher eingeführt. Heutzutage stellen die auf den Arbeitsmarkt strömenden Digital Natives mit Ihren veränderten Präferenzen und Wertevorstellung den Arbeitsmarkt vor Herausforderungen.
1. Arbeitszeiten & Pensum
Im Vergleich zu anderen Ländern arbeiten die Menschen in der Schweiz viel. Eine durchschnittliche Arbeitswoche in der Schweiz hat zwischen 42 und 45 Stunden. Nur in Island und Griechenland werden im Schnitt mehr Wochenarbeitsstunden geleistet. Besonders in der Landwirtschaft, dem Banken- und Versicherungswesen und dem Baugewerbe liegen die geleisteten Arbeitsstunden über dem Durchschnitt. Betrachtet man aber die Gesamtheit alles Erwerbstätigkeiten, liegt die Schweiz sogar unter dem Durchschnitt der EU. Der Grund dafür ist der hohe Anteil an Teilzeitangestellten. In der Schweiz arbeiten fast 40% aller Erwerbstätigen in einer Teilzeitstelle. Der Anteil Teilzeiterwerbstätiger hat sich in den letzten 25 Jahren stetig erhöht. Das gilt für Männer und für Frauen, wobei der Anteil bei den Frauen bei rund 60% liegt und bei den Männern bei ca. 18%. Als Teilzeiterwerbstätige werden hier Personen definiert, die in einem Beschäftigungsgrad von bis zu 89% arbeiten.
2. Lohn
Auch in Sachen Lohn befindet sich die Schweiz am oberen Rande des Spektrums. Sie führt die Statistik zum medianen Äquivalenzgesamtnettoeinkommen (ÄNE) des Eurostat seit 2016 an. Das Äquivalenzgesamtnettoeinkommen bezeichnet das Geld, das jeder Mensch nach Steuern und obligatorischen Sozialversicherungen zur Verfügung hat. Dieses Ranking ist allerdings mit Vorsicht zu geniessen, da in der Schweiz die Lebenskosten vergleichsmässig hoch sind. Gleicht man das ÄNE mit dem Kaufkraftstandard (KKS) ab, landet die Schweiz immer noch an dritter Stelle. Der KKS zeigt, was man sich mit seinem CH-Lohn kaufen kann. In welchem Kanton der Schweiz Sie den höchsten Lohn erhalten, erfahren Sie hier. Allerdings erhalten nicht alle Mitarbeiter den gleichen Lohn. Obwohl Arbeitgeber sich um eine Änderung bemühen, ist die Lohnungleichheit in der Schweiz im internationalen Vergleich eher hoch. Mit 19.6% Unterschied im Medianlohn ist die Schweiz über dem europäischen Schnitt. Rund 43% dieser Lohnunterschiede sind nicht erklärbar. Besonders gross sind die Unterschiede in Positionen mit Kaderfunktion und im Kredit- und Versicherungsgewerbe.
3. Gleichberechtigung
Das Frauenstimmrecht gibt es in der Schweiz seit 1971 und das Gleichstellungsgesetz ist seit 1996 in Kraft und dennoch liegt die Schweiz im globalen Gleichstellungsindex nur auf Rang 20. Wie ist die Lage in der Schweiz?
Bei der Erwerbsquote liegen die Männer mit 88,5% immer noch höher als die Frauen mit 79,9%. Dieser Unterschied hat aber über die letzten 25 Jahre konstant abgenommen. Bei den Frauen sind die meisten Nichterwerbspersonen Hausfrauen, bei den Männern sind es Personen in Ausbildung. Auch bei der Stellung innerhalb der Unternehmen gibt es grosse Unterschiede: In der Chefetage von Unternehmen sitzen lediglich 34% Frauen. Bei Stellen in den Zukunftsbereichen (künstliche Intelligenz und Automation) ist der Unterschied noch grösser. Nur gerade 20% dieser Stellen sind von Frauen besetzt, was in Zukunft dazu führen könnte, dass diese weniger qualifiziert sind, um die neuen Arbeitsplätze anzunehmen.
In der Politik ist der Anteil von Frauen seit 1991 gestiegen, verzeichnete aber in den letzten Jahren wieder einen leichten Rückgang. Dabei liegt der Anteil von Frauen auf kantonaler sowie nationaler Eben auf rund 30%.
4. Arbeitskulturen im Detail
Die Arbeitskultur in Unternehmen an sich variiert stark: Während die grossen, etablierten Unternehmen eher auf den traditionellen Arbeitstag von 8 bis 17 Uhr und klare Hierarchien setzen, sind viele junge Unternehmen, gerade im Technologiebereich daran, die Arbeitswelt auf den Kopf zu stellen. Remote-Teams, Home-Office und Gleitzeiten sind nur ein Teil dieser Neuerungen.
Vielen Unternehmen gehen noch einen Schritt weiter. Die Swisscom ist ein Unternehmen, das neben den internationalen Technologiekonzernen eine Vorreiterrolle in diesem Wandel einnimmt. Bereits heute haben ca. 10% der Mitarbeiter beim Telekommunikationsunternehmen keinen Chef am Arbeitsplatz. Diese «agile Organisation» soll zu einer erhöhten Produktivität und weniger internen Konflikten führen.
Auch die SBB beteiligt sich am Wandel der Arbeitskultur. Einerseits indem sie intern für eine flexible und moderne Arbeitskultur sorgen, andererseits aber auch extern, indem sie andere Unternehmen dazu ermutigen, auch dem Wandel beizutreten. Ein positiver Effekt ist dabei auch die Entlastung der öffentlichen Verkehrsmittel und der Umwelt.
Beide dieser Unternehmen sind Teil der Work Smart Initiative, die es ich zum Ziel gesetzt hat, flexible und ortsunabhängige Arbeitsformen in Unternehmen einzuführen. Das soll unter anderem die Mitarbeitermotivation erhöhen, die Produktivität steigern und den Verkehr zu den Stosszeiten entlasten und somit auch CO2 einsparen. Bis heute haben bereits 211 Unternehmen hierzulande die Charta unterzeichnet und ermöglichen ihren Mitarbeitern flexible Arbeitsformen.
Generell ist die Arbeitskultur der Schweiz im Wandel. In den meisten Firmen ist die Gestaltung der Arbeitszeiten flexibler und es wird Wert gelegt auf Gleichberechtigung und eine gesunde Konfliktkultur.